Back in history: Die „erfolgreichste Rennmaschine aller Zeiten“
Mit diesem Kind der späten 60er Jahre feierte Harley-Davidson einen Rennerfolg nach dem anderen und der legendäre Stuntman Evel Knievel absolvierte seine waghalsigen Sprünge auf ihr. Gemeint ist Harleys XR 750. So klein wie sie uns heute vor kommen mag, so riesig ist ihr heutiger Marktwert unter Sammlern. Rund 500 Stück wurden nur gebaut. Will man heute eine XR 750 live sehen, muss man in Museen und auf Messen Ausschau halten. Wir haben im Archiv gewühlt und zeigen Euch, was sie so besonders macht:
Ihre Geburt im Jahr 1970 verdankt die XR 750 der Tatsache, dass der amerikanische Motorradrennsportverband AMA (American Motorcyclist Association) das Reglement im Flat Track geändert hatte. Die neuen Richtlinien ließen seitengesteuerten Motoren, wie sie Harley-Davidson bis dato erfolgreich in seinen KR-Racern verwendete, keine Chance mehr.
Ein 750er-OHV-Triebwerk musste her – und Harleys Rennmanager Dick O’Brien baute es mit seinem Team auf Basis des V-Twins, der in der Sportster-Rennmaschine XLR zum Einsatz kam.
Bei dem neuen Flat Tracker fand das getunte Triebwerk in einem modifizierten KR-Racingrahmen Platz, der mit Ceriani-Gabel und Girling-Federbeinen verfeinert und von einem Fiberglastank und -bürzel in Harleys Rennfarbe Jet Fire Orange gekrönt wurde. Die Maschine brachte gerade mal 134 Kilo auf die Waage und sie war eine feurige Kratzbürste:
Eine Viertelumdrehung des Gasgriffs genügte, um ihre Drosselklappe vollständig zu öffnen!
30 Minuten über 50 Jahre XR 750
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Zwei Jahre später war die XR-750 zur Perfektion gereift: 1972 erlaubten Leichtmetallzylinder und -köpfe eine höhere Kompression und boten zudem den thermischen Problemen der bisher verwendeten Gusseisenversionen erfolgreich Paroli.
Den hinteren Zylinder drehten die Ingenieure um, so dass zwei mit wuchtigen Luftfiltern versehene 36er-Vergaser rechts und ein hochgezogener Auspuff links Platz fanden.
Kurbelwelle, Pleuel, Kolben und Ventile wurden auf ein modifiziertes Bohrungs-Hub-Verhältnis hin neu konstruiert. Mehr Power und ungetrübte Standfestigkeit waren der Lohn. Spätestens jetzt konnten die anderen Teams einpacken: die XR-750 dominierte den Flat Track.
In den Jahren 1972 bis 2008 entschied die ständig weiter optimierte Maschine 29 der 37 AMA Grand National Championships für sich. Auf ihr Konto gehen mehr Rennsiege, als jedes andere Motorrad in der Geschichte der AMA zu verbuchen hat, was ihr den Titel „Erfolgreichste Rennmaschine aller Zeiten“ gab.
Unvergesslich: Stuntman Evel Knievel vollführte seine spektakulärsten Sprünge auf der XR 750.
Bis heute gehört sie zu den Publikumsmagneten in den Ausstellungen, wie z.B. im Guggenheim Museum „The Art of the Motorcycle“ oder bei Messen wie der „Art of Racing“ bei der Custombike Show in Bad Salzuflen in 2019.
Wer eins der etwas mehr als 500 Bikes aus Milwaukee besitzt, kann sich glücklich schätzen, denn es ist längst ein Vielfaches seines ursprünglichen Preises wert.
Seit Beginn der Achtzigerjahre fertigte Harley-Davidson statt kompletter XR 750 Racebikes nur noch Motoren und sicherte die Teileversorgung für die Rennteams, die ihre Fahrwerke inzwischen ohnehin gern in Eigenregie zusammensteckten. Ende der Achtziger gab’s dann statt der Motoren nur noch Teile.
Zu den straßenzugelassenen Schwestern des Kultbikes gehören die 1983 eingeführte XR 1000 – von der wir hier in Hamminkeln auch noch ein Exemplar in unserer Sammlung haben – und die XR 1200, die 2008 auf den Markt kam.
Inzwischen hat Harley-Davidson eine Kronprinzessin am Start: Die XG 750R, deren flüssigkeitsgekühlter 60-Grad-V2 auf dem Revolution-X-Motor der Street-Modelle basiert – ein interessantes Stück Technik, allerdings „for race use only“!
Text: H. Herz / M. S. Zimpel
Fotos: Harley-Davidson Archiv / Zimpel
